Jung und frisch aktiv: Die 27-Jährige Svenja Faßbinder beschäftigt sich erst seit Februar 2021 mit der Endlagersuche für den Atommüll. Sie will, dass junge Leute mehr und besser beteiligt werden im Prozess. In der Arbeitsgruppe-Vorbereitung kämpfte sie dafür. Von ihrer Motivation und ihren Erlebnissen berichtet sie hier. Ein Ich-Protokoll, aufgezeichnet von Mareike Andert.
Ich bin zufällig auf die Endlagersuche gestoßen und beim Prozess erst frisch dabei. Erst seit Februar dieses Jahres. Ich wohne im Norden Bayerns und mein Ort ist eines der möglichen Gebiete, wo ein Endlager hinkommen könnte. In der Arbeit haben wir darüber geredet, so bin ich darauf aufmerksam geworden. Zur ersten Fachkonferenz zum Thema im Februar habe ich mich dann aus Coronalangeweile angemeldet.
Ich finde den Prozess der Endlagersuche höchstspannend. Es geht um Verantwortung – und das generationenübergreifend. Viele Akteure mischen mit und am Ende sollen sie eine gute und sichere Lösung für das komplexe Problem finden. Das hat mich gecatcht. Spannend ist für mich auch, dass es ein gesamtdeutsches Thema ist – das erlebe ich zum ersten Mal. Am Ende soll es möglichst keine Proteste geben, weil die Leute gut mitgenommen wurden und alle mit der Entscheidung gut leben können. Um das zu gewährleisten und Beteiligung zu sichern, engagiere ich mich.
Der Prozess der Endlagersuche ist exemplarisch für mich und bedeutet mir viel. Meine Hoffnung ist, dadurch generell Entscheidungsprozesse besser zu machen und zu schauen, wie die Erfahrung aus der Endlagersuche für andere Entscheidungen genutzt werden kann. Viele andere politische Prozesse können in Zukunft auch so ablaufen – viele Menschen an einem Tisch, echte Beteiligung. Beteiligung und Transparenz schaffen Akzeptanz.
Vielleicht ist es nicht die perfekte Lösung, die die Fachkonferenz erarbeitet, aber allein, dass so viele Menschen sich auf etwas einigen, finde ich einen guten Ansatz. Das ist gelebte Demokratie! Es geht über das bloße Wählen hinaus.
Bisher finde ich, läuft der Prozess der Endlagersuche im Großen und Ganzen gut ab. Falls das so bleibt und falls das Endlager je in meinen Vorgarten kommen sollte, dann könnte ich damit leben, weil ich Vertrauen gewonnen habe in den Prozess und die Institutionen.
Es wäre super, wenn es am Ende vielen Leuten so geht. Dafür müssen sich die zuständigen Institutionen einsetzen.
Zurück zur ersten Fachkonferenz im Februar: Sie klang spannend! Was ist denn ein Teilgebiet? Wie soll ein Endlager gefunden werden? Wie läuft der Suchprozess ab? Das interessierte mich. Ich hatte keine Ahnung von Atomkraft und Endlagerung. Das Format der Konferenz selbst war leider wenig auf die Bedürfnisse junger Menschen ausgelegt. Mitmachen war kaum möglich. Es waren auch kaum andere junge Menschen da. Und das gerade bei so einem wichtigen Thema, das alle Generationen betrifft… Es kann nicht sein, dass alle unter 30-Jährigen rausgelassen werden, weil das Format nicht passt.
In meiner Naivität habe ich mich kurzentschlossen für die Arbeitsgruppe Vorbereitung (AG V) beworben, die die nächste Fachkonferenz vorbereiten sollte, und wurde sogar gewählt. Da kam sehr schnell viel Arbeit auf mich zu. Ich verstehe wenig von der Wissenschaft und der Geologie rund um ein Endlager. Mir ging es von Anfang an um Beteiligung junger Menschen. In diesem Bereich habe ich als Sozialpädagogin meine Stärken. Für die bessere Beteiligung junger Menschen habe ich dann in der AG V gestritten. Manchmal hatte ich das Gefühl, eine andere Sprache zu sprechen als die anderen Mitglieder. Ich war viel jünger als der Rest. Viele der anderen Mitglieder sind alte Hasen im Bereich Atomkraft und hatten einen Wissensvorsprung. Ich konnte beim Wissen nicht mithalten. Dann habe ich gemerkt: Muss ich auch gar nicht – ich bin aus einem anderen Grund hier: Ich möchte jungen Menschen einen Platz und eine Stimme geben.
Das Problem: Wenn etablierte Erwachsene, die sich schon ewig mit dem Thema beschäftigen, diskutieren, ist das für andere teilweise ermüdend. Die Diskussionen wirkten auf mich manchmal verfahren. Es war für mich abschreckend, wenn immer über die Versäumnisse der letzten 30 Jahre gesprochen wurde. Die meisten älteren Menschen kennen sich – das ist wie ein Club. Ich – als junge Quereinsteigerin – möchte einen positiven, konstruktiven und auf die Zukunft gerichteten Blick auf die Endlagersuche haben. Frisch dabei sein – das kann auch ein Vorteil sein, da ich unvoreingenommener bin.
Auch andere AG V Mitglieder wollten junge Menschen besser beteiligen. Zusammen boxten wir dann ein paar Dinge durch: Es gab Zeitslots bei den weiteren Fachkonferenzen, in denen grundlegende Infos gegeben wurden: Auf Augenhöhe werden alle mitgenommen, schließlich gibt es viele unterschiedliche Bedürfnisse. Den Zugang zum Thema brauchen nicht nur junge Menschen, sondern zum Beispiel auch Kommunalpolitiker:innen, deren Ort plötzlich Teilgebiet wird.
Es gab außerdem drei Jugend-Workshops: Infoveranstaltungen und ein Planspiel zur Endlagersuche. Einige junge Menschen haben bei der Fachkonferenz im Juni eine Stunde des Programms gefüllt. Sie berichteten von den Workshops und formulierten Forderungen, wie der Prozess aussehen muss, damit sie sich beteiligen können. Das hat Eindruck gemacht! In einem der Workshops kam die Idee auf, die Farben schwarz und gelb, die oft mit der Anti-Atomkraftbewegung assoziiert werden, zu ändern, da sie verbraucht seien. Es brauche eine andere, eine neue Kommunikation. Eine lösungsorientiertere. Da habe ich mich wiedergefunden.
Als Mitglied der AG V habe ich persönlich viel gelernt: konstruktiv diskutieren, andere Meinungen aushalten, mich überzeugen lassen, wenn schlüssige Argumente vorgetragen werden, oder Vertrauen haben in das Wissen anderer.
Mir wurde auch klar, dass es Kompromisse braucht.
Aus Zeitgründen bin ich nun nicht mehr in der AG V. Das Thema Endlagersuche lässt mich aber nicht los. In meinem Bekanntenkreis ist die Endlagersuche immer wieder Thema. Wir verbrachten ein paar Abende in Kneipen und diskutierten darüber. Meine Freund:innen haben dann auch davon weitererzählt – ein Schneeballeffekt. Die Frage zu diskutieren: “Wie können wir mit einem Endlager leben?” kann ein Abend füllendes Programm sein und ist gar nicht mal trocken.
Spannend finde ich die Frage: Wie kennzeichnen wir den Müll, dass deutlich wird: Da ist kein Gold drinnen? Die Endlagersuche umspannt viele Forschungsbereiche. Jede und jeder kann den Prozess bereichern.
Von BASE (Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung) und BGE (Bundesgesellschaft für Endlagerung) wünsche ich mir mehr und zugänglichere Infos.
Es braucht Plattformen, auf denen auch junge Menschen unterwegs sind. Inhalte müssen so aufbereitet werden, dass sie konsumiert werden.
Die Endlagersuche betrifft uns alle. Tschernobyl habe ich nicht erlebt, bei Fukushima war ich noch jung. Junge Menschen haben also nicht so die Betroffenheit wie ältere durch diese Katastrophen. Auch sind junge Menschen nicht verantwortlich für die Entstehung des Atommülls. Allerdings müssen alle an einer Lösung mitarbeiten, da eine Gefahr davon ausgeht.
Relevant ist das Thema für uns junge Menschen auch, weil wir eher noch umziehen werden. Selbst wenn mein jetziger Wohnort rausfallen sollte, könnte ich in ein betroffenes Gebiet ziehen. Es kann mir also nicht egal sein, wie die Entscheidung für ein Endlager fällt und wo es hinkommt. Und ich habe zudem den Anspruch, dass alle Menschen gut und sicher leben können, egal wo.
Warum engagiere ich mich als Frau in der Endlagersuche? Anfangs hatte ich das nicht so auf dem Schirm, aber im Prozess habe ich gemerkt, dass viele Männer am Tisch sitzen. Und viel weniger – aber beeindruckende – Frauen. Je diverser der Tisch, desto besser ist das Ergebnis der Endlagersuche. Beteiligung heißt für mich nicht, dass alle 80 Millionen Menschen in Deutschland mitmachen müssen. Am Ende aber muss die Entscheidung ernst genommen und getragen werden können. Das hat mehr Erfolg, wenn viele ihre Sicht einbringen können.
Ich habe Vertrauen gewonnen in diesen Endlagersuchprozess. Ich habe mehr Vertrauen in die Institutionen als vor meinem Engagement.
Ich bin als Nörglerin in die Fachkonferenz
und die AG V reingegangen. Ich lernte engagierte Menschen und Institutionen kennen. Jetzt habe ich keine Berührungsängste mehr mit der Thematik.
Wenn sie ihre Arbeit so weitermachen, wird etwas Gutes herauskommen. Den Prozess werde ich auf jeden Fall weiterhin kritisch begleiten.